Halbmondragwurz und Inselendemiten – die (Orchideen-)Flora der grössten Mittelmeerinsel

Datum: 07. November 2023
Referent / Fotos: Adrian Möhl
Bericht: Rita Hoffmann

Der Referent nahm uns mit auf eine Exkursion nach Sizilien und lies uns an seinem reichen Schatz an Fachwissen der Flora und Geographie dieser Insel teilhaben.

Die Insel und Geographie
Mit 25.5 km2 ist Sizilien zwei Drittel so gross wie die Schweiz und die grösste Mittelmeerinsel. Sie besteht zu 80% aus recht naturbelassenem Berg- und Hügelland und hat 5 Millionen Einwohner, (198/km2), die vorwiegend an den Küsten leben. Die oft gebirgige Küste hat eine Gesamtlänge von 1152 km.  Der höchste Berg ist der Vulkan Ätna mit 3345 m. Das nicht vulkanische Bergland steigt bis auf 1700 m an. Dort fällt im Winter auch Schnee. Die Insel hat mediterranes Klima mit trocken heissen Sommern und milden feuchten Winter. Insgesamt fällt aber nur halb so viel Regen wie in der Schweiz. Die mittlere Jahrestemperatur in Palermo beträgt 17.4°. Es gibt drei Klimazonen, die thermomediterrane Klimazone an den Küsten, die mesomediterrane Klimazone in der Hügellandschaft und das submediterrane Klima in den Bergen.

Die Geschichte
Sizilien ist von vielen seefahrenden Kulturen geprägt, z. B. gibt es gut erhaltene griechische Tempel und unter anderem römische, arabische und normannische Relikte.

Flora
An den Küsten findet man Salzvegetation z. B. den Malteser Schwamm (Cynomorium coccinem), im Flachland viel Landwirtschaft und Viehzucht, allerdings extensiver als in der Schweiz und mit vielen Blumenwiesen. Ursprünglich war Sizilien ganz bewaldet.  Davon bestehen aber nur noch Reste, z. B. Eschen-, Steineichen-, Flaumeichen- und Stechpalmenwälder. Die Buchenwälder reichen bis an die Baumgrenze. Vor einigen Jahren wurde einige extrem seltenen Reliktbäume wie Zelkova sicula und Abies nebrodensis in abgelegenen Tälern wiedergefunden und vom Aussterben gerettet. Typisch sind Cistrosen und auch der Cistrosenwürger (Cytinus ruber) aus der Familie der Rafflesiaceae. Am Ätna auf dem Vulkangestein gibt es Kissenwuchs wie im Schweizer Hochgebirge. Ähnlich wie in der Schweiz ist die Familie der Asteraceae mit am meisten Arten (20%) vertreten, gefolgt von den Poaceae (16%) und Fabaceae. Orchidaceae machen nur 4% der Pflanzenarten aus.

Orchideen
Zwölf Orchideen Gattungen sind auf Sizilien zu finden mit insgesamt 82 Arten. Über die Zahl der Arten besteht keine Einigkeit. Die Orchideen – vor allem Ophrys- bilden viele Formen aus, von manchen als Arten klassifiziert und so sprechen einige von mehr als 100 Arten.  Ein fast Endemit ist Siziliens Ophrys pallida, von der man noch Vorkommen in Nordafrika vermutet. Ebenfalls gibt es Vorkommen von Anacamptis pyramidalis. Von der Gattung Waldvöglein (Cephalanthera) gibt es drei Arten wie in der Schweiz. Von der Gattung Dactylorhiza, der saure Boden bevorzugt, findet man 4 Arten, z. B. Dactylorhiza romana, von Epipactis findet man 6 Arten, z. B. Epipactis muelleri. Es finden sich zwei Arten von Himatoglossum, robertianum and hircinum.  Sie blühen als eine der ersten Orchideen im Frühling. Die Gattung Limodorum hat zwei Vertreter in Sizilien, die Gattung Orphys 10-120 Arten, je nachdem wie weit man die Differenzierung treibt. Ophrys lunulata trägt als Kennzeichen ein grosse ‘W’ auf der Lippe, manchmal auch als Fledermaussilhoutte bezeichnet und daher ‘Batmanorchidee’ genannt. Ophrys lacaitae mit der breiten gelben Lippe blüht eher im Mai. Sehr verbreitet und mit vielen Formen oder Unterarten ist Ophrys speculum.  Eine eindeutige eigene Art ist sicher Ophrys bertolonii oder die dunkel incubacea. Neben diesen findet man noch eine Vielzahl von Formen von Ophrys lutea, sicula, archimedia, biancae, exaltata und anderen.  Die Gattung Orchis ist mit 8 Arten vertreten, darunter lingicornu, commutata, tridentata, branciforti. Ausserdem gibt es auf Sizilien die Plantathera chlorantha und 2 Arten von Serapias, wie in der Schweiz. Neben der Orchideen-Flora gibt es auch andere spezielle Pflanzen, wie den seltenen Doldenblütler Petagnea gussonei, die Erica sicula, die völlig weiss-stämmige Betula aetnensis, und den Ptilostemeon greuteri.

Die beste Zeit für Pflanzenfreunde Sizilien zu besuchen ist der April, für einige Arten auch der März oder Mai. Es gibt eine zweite Blüte im Oktober, aber sie ist weniger prächtig und betrifft nicht die Orchideen. Einige Parks sind besonders sehenswert, darunter der Zingaro Park im Nordwesten und Ficuzza in der Nähe von Palermo.  Longi ist ein wunderschönes Dorf in den Bergen mit Orchideen, die kühleres Klima bevorzugen wie z. B. Neottina maculata Orchis provincialis.  Mit zusätzlich archeologischen Sehenswürdigkeiten und viele Ragwurzarten wartet Iblei auf.

Der Vortrag mit den hervorragen Blumenbildern hat bei dem Zuhörern die Begeisterung für das Naturparadies Sizilien geweckt und vielleicht überlegt sich der eine oder andere, eine Reise dorthin zu planen.

Auszeichnungen November
Präsentation (Vorgestellte Pflanzen)